Ein Ausflug ins Reformjudentum


Am 25. September unternahm das Seminarfach Judentum eine Exkursion ins Pfarrzentrum der St. Bonifatius-Gemeinde. Vor Ort durften sich die Schรผlerinnen und Schรผler einen Vortrag zum Thema Reformjudentum anhรถren. Zu Gast war der Rabbiner Gรกbor Lengyel. AnschlieรŸend gab es wieder eine Fragerunde, die diesmal alle zum Lachen brachte.

Die Veranstaltung wurde vom Forum Juden-Christen organisiert. Sie ,,engagieren [sich] gegen Antisemitismus und fรผr Toleranzโ€ und sorgen mit ihren Treffen fรผr Austausch und Diskussion. Gรกbor Lengyel ist ein Reformjude aus Hannover. Er รผberlebte die Shoah und ist neben seiner Arbeit in der Reformsynagoge in Hamburg auch als Dozent tรคtig. Einen universitรคreren Monolog schlieรŸ er aber von vornherein aus. Viel lieber rรผttelte der Reformjude das Publikum mit Schรคtzfragen wach.

Herr Lengyel teilte seinen Vortrag in zwei Themen. Zunรคchst ging es um das Reformjudentum. Laut ihm gebe es im Judentum zwei Zweige. Einmal die orthodoxen und andererseits die nichtorthodoxen Juden. Er betonte aber auch, dass es innerhalb dieser Strรถmungen auch unterschiedliche Ausrichtungen geben kรถnne. Ganz wie in einer Partei im Bundestag. Das liberale Reformjudentum zรคhlt zur nichtorthodoxen Richtung. Es gibt weniger Einschrรคnkungen. Dadurch sind die Anhรคnger viel freier. Man lebt nicht so streng und passt sich vor allem an die Moderne an. Dennoch haben, laut Lengyel, orthodoxes und nicht orthodoxes Judentum eine Gemeinsamkeit, und zwar die Tatsache, dass so gut wie immer mindestens ein Streitthema in eigenen Reihen herrscht.

Moses Mendelson hat ihm 17. Jahrhundert die Thora ins Deutsche รผbersetzt. Zu seiner Zeit ein Skandal. Auch die Orgeleinfรผhrung in Synagogen ist fรผr orthodoxe Juden undenkbar. Liberale Juden sehen das nicht so eng. Es gibt andere Speisegesetze, Homosexualitรคt, Feiertage und kurze Gottesdienste โ€“ das Reformjudentum geht mit der Zeit.

Lengyel erklรคrte, dass die liberale Strรถmung hauptsรคchlich in Deutschland entstanden sei. Mit der Shoah gab es einen Bruch. Viele Juden und Zentren verlieรŸen den Geburtsort des Reformjudentums und wanderten aus.
In den USA โ€“ insbesondere New York โ€“ leben heute viele liberale Juden, so Lengyel.

In Israel hingegen ist genau das Gegenteil der Fall. Im zweiten Teil beschรคftigte sich der Holocaust-รœberlebende mit dem Israel-Gaza-Konflikt. Er kritisiert das extreme Vorgehen der orthodoxen Regierung. Laut ihnen kรถnne der Staat nur mit Gewalt bestehen. Gรกbor Lengyel beklagt, dass das die Mehrheitsmeinung in Israel sei. Damit wรผrden deren Grundsรคtze aufgegeben. Durch seine gemรครŸigtere Ansicht betrifft ihn der Konflikt aber nicht weniger als orthodoxe Juden. Er ist eine Last fรผr alle. Er selbst erinnerte, wie schockierend der 7. Oktober gewesen war. Anstatt einer aufgeregten Predigt gab Lengyel aber allen im Gottesdienst einen โ€œRaum fรผr Gefรผhleโ€.

Ich denke, dass es wichtig ist, vor allem in sehr emotionalen und belastenden Situationen seinen Gefรผhlen Platz zu lassen. Das kann man auf alle Bereiche in seinem Leben รผbertragen.

Am Ende stellte ein Schรผler noch eine Frage, die alle zum Lachen brachte. Ihm ist aufgefallen, dass Herr Lengyel die ganze Zeit seine Kippa trug โ€“ wohingegen Herr Grรผnberg als strengglรคubiger Jude seine Kippa nur gefaltet aus der Tasche zog. Herr Lengyel trage die Kippa sehr oft. Auf der StraรŸe lege er sie aber ab. Nicht aus Angst โ€“ sondern, weil er einfach nicht so orthodox sei. Er wolle sich selbst nichts vormachen.

Ob mit oder ohne Kippa. Gรกbor Lengyel ist ein aufgeklรคrter Mann. Er setzt sich fรผr Bรผrgerrechte und gegen Rassismus ein. Ihm ist der interreligiรถse Dialog wichtig und die Verstรคndigung zwischen Juden, Christen und Muslimen. Vor allem schรคtzt er den jรผdisch-muslimischen Dialog.



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