Wie ich von der Schulleitung erfuhr, konnte wegen der Pandemie eine angemessene Feier des 75-jährigen Jubiläums des Franziskusgymnasiums leider nicht stattfinden. Mit großem Bedauern musste auch die für das Jubiläumsjahr geplante Fahrt der ganzen Schulgemeinschaft nach Assisi storniert werden. Zum Glück aber haben wir im April 1996 das 50-jährige Bestehen der Schule in aller Feierlichkeit begehen können. Wie bei einem solchen Jubiläum üblich, wurden in einer Festschrift u. a. die „Wurzeln“ dieser Schule dargestellt.
Mit einer Zusammenfassung dieser „Vorgeschichte“ möchte ich heute – 25 Jahre später – meinen
Rückblick auf die 75-jährige Geschichte dieser Schule
beginnen:
In Dingelstädt im Eichsfeld bestand seit 1873 ein Lehrerinnen-Seminar im St.-Josephs-Institut, gegründet von der Eichsfelder Lehrerin Dorothea Fromm, die sich u. a. die Förderung der Mädchenbildung zur Aufgabe gemacht hatte.
1912 übernahmen Thuiner Schwestern die Haushaltsführung im angeschlossenen Internat. 1920 konnte unsere Kongregation dieses Anwesen käuflich erwerben und einige Jahre später darin für Mädchen ein Gymnasium (damals „Lyzeum“ genannt) eröffnen. Damit bestand für junge Schwestern ab 1928 die Möglichkeit, im Dingelstädter Konvent zu leben und im ordenseigenen Gymnasium nebenan die Mittlere Reife oder den Abiturabschluss zu erwerben. Diese Bildungsgänge waren eine notwendige Voraussetzung für eine qualifizierte Berufsausbildung in den unterschiedlichsten Tätigkeiten, in denen Thuiner Schwestern arbeiten.
Nur wenige Jahre konnte sich diese Schule unter der Leitung von Schwester M. Crescenz Röben (unserer späteren Generaloberin von 1948 bis 1960) in Ruhe entfalten. Denn 1940 entzogen die Nationalsozialisten den Schwestern die Unterrichtserlaubnis. Sofort nach Kriegsende im Mai 1945 nahmen die Schwestern aber in einigen Klassen den Unterricht wieder auf.
Als die Siegermächte USA, England, Frankreich und die Sowjetunion im Juli 1945 Deutschland in vier Besatzungszonen aufteilten, wurde Dingelstädt mit einem Teil des Eichsfelds der sowjetischen Besatzungszone zugeordnet. Damit war die Entwicklung dieses Gymnasiums zu einer von der sozialistischen Ideologie geprägten Schule in der DDR vorprogrammiert.
Genau diese Eingliederung in das sowjetische Besatzungsgebiet war der entscheidende Faktor für die Gründung des Mädchen-Gymnasiums in Thuine. Denn während die Grenzen zwischen der englischen, amerikanischen und französischen Besatzungszone bald aufgehoben wurden und ein einheitlicher „Weststaat“ in Deutschland entstand, begann man damit, die sowjetische Besatzungszone gegenüber dem „Weststaat“ abzuriegeln durch eine Grenze, die zunehmend zu einer „Todesgrenze“ verschärft wurde, bis hin zum Bau der Berliner Mauer im August 1961.
Unter diesen Bedingungen konnte das St.-Joseph-Gymnasium in Dingelstädt eine der ursprünglich intendierten Aufgaben, nämlich auch Ausbildungsstätte für die jungen Schwestern unserer Kongregation zu sein, nicht mehr erfüllen. Deshalb erwirkte die damalige Generaloberin Mutter M. Chrysologa die Erlaubnis, im St. Georgsstift in Thuine eine Mädchen-Oberschule als Fortsetzung der Dingelstädter Oberschule eröffnen zu dürfen.
Fortführung des Dingelstädter Gymnasiums
durch Mädchen-Gymnasium im St. Georgsstift Thuine
Am 30. April 1946 konnte zum neuen Schuljahr in den Räumen der Landfrauenschule im Haus St. Agnes die Mädchen-Oberschule im St. Georgsstift Thuine mit 75 Schülerinnen in fünf Klassen (5.- 9.Klasse) ihren Betrieb aufnehmen. Anfangs wohnten alle Schülerinnen im angeschlossenen Wohnheim.
Diese Schule wurde von zahlreichen Kandidatinnen vor ihrem Eintritt in unsere Kongregation besucht. Darüber hinaus bot sie in den schweren Nachkriegsjahren, die von großer wirtschaftlicher Not geprägt waren, vielen Mädchen aus zerbombten Städten und aus Familien, die aus den deutschen Ostgebieten vertrieben worden waren, ein neues Zuhause. Obwohl in Thuine die Lebensverhältnisse äußerst arm waren, konnten die jungen Mädchen hier Geborgenheit erfahren und eine Bildung erhalten, die trotz wenig vorhandener Unterrichtsmaterialien von den Jugendlichen geschätzt wurde und erfolgreich war. Zugleich wurde diese Ordensschule von der Bevölkerung gern angenommen, da sie den emsländischen Mädchen bei damals noch fehlenden Verkehrsverbindungen auch eine Wohnmöglichkeit bot.
Neubau in Lingen-Laxten 1966/67
Die Zahl der Schülerinnen stieg stetig an. Als die zur Verfügung stehenden Räume für einen geordneten Schulbetrieb nicht mehr ausreichten, musste man sich Gedanken über eine räumliche Erweiterung der Schule machen. Ergebnis dieser Überlegungen und Beratungen war der Schulneubau in Lingen-Laxten, der im August 1967 bezogen werden konnte. Vorangegangen war im Jahr zuvor der Bau einer Fachschule für Sozialpädagogik und die Gründung eines neuen Schwesternkonventes dort. Bis 1981 wurden die Klassen 5 bis 10, in denen Schülerinnen aus der näheren Umgebung von Thuine kamen, und Schülerinnen, die im Internat wohnten, noch in Thuine unterrichtet. Der größere Teil der Schule aber befand sich seit August 1967 an dem neuen Standort in Lingen-Laxten.
Übergang zur Koedukation ab 1976/77 und Änderung des Namens
Die Schule erfuhr in der Lingener Bevölkerung eine hohe Akzeptanz. Zunehmend wurde auch der Ruf nach einer Öffnung der Schule für Jungen laut. Nach intensiven Diskussionen wurde der Entschluss gefasst, die Schule fortan koedukativ zu führen. Zum Schuljahr 1976/77 wurden zum ersten Mal Jungen in die 5. Klasse und in die 11. Klasse aufgenommen.
Damit verbunden war die Änderung des Namens der Schule in Franziskusgymnasium.
Das Franziskusgymnasium heute im Jahr 2021
Das Franziskusgymnasium wird auch heute getragen und geprägt von einer großen Zahl qualifizierter und pädagogisch engagierter Lehrerinnen und Lehrer, denen es Freude macht, den vielen jungen Menschen auf ihrem Weg ins Leben in einer entscheidenden Phase unterstützend zur Seite zu stehen. Sie sind weiterhin bereit und offen, sich dabei an der Gestalt des hl. Franziskus von Assisi – dem Patron der Schule – zu orientieren.
So heißt es im Leitbild der Schule:
Seit dem 01.01.2018 ist das Franziskusgymnasium in der Trägerschaft der Schulstiftung im Bistum Osnabrück. Das Leben und Wirken des Hl. Franz von Assisi, dem Namensgeber unserer Schule, ist für unser pädagogisches Selbstverständnis sinnstiftend. Seine Ideale und sein Menschenbild sollen der Schulgemeinschaft geistige und praktische Leitlinie sein. Die darin verankerte Wertschätzung gegenüber dem Leben nimmt die Zukunft zuversichtlich in den Blick.